Mit einem Festakt und spannenden Gastbeiträgen sind in Oberursel die vielfältigen Feierlichkeiten zum 140-jährigen Jubiläum des Vereins für Internationale Jugendarbeit Bundesverein e. V. eingeleitet worden. Der vij ist ein Fachverband der Diakonie Deutschland. Die Vorsitzende des Bundesvereins Brigitte Bysh formulierte, was bis heute gilt: „Der vij will Brücken bauen, über Staatsgrenzen hinweg, für alle, die sich auf die Reise begeben, als Au-pair oder Arbeitssuchende, als Migrantinnen oder Flüchtende.“
Stationen der Vereinsgeschichte
Angefangen hatte alles gegen Ende des 19. Jahrhunderts mit dem Engagement von Frauen für Frauen. Als im Zuge der Industrialisierung junge Mädchen und Frauen die ländliche Heimat verließen und ihr Glück in der Fremde suchten, gerieten sie nicht selten in prekäre Situationen. Sie wurden mitunter Opfer von Gewalt, Menschenhandel und Zwangsprostitution. Damit die schutzbedürftigen Reisenden auf ihren Lebenswegen „immer eine Freundin vorfinden“ – so das Credo schon damals - gründeten beherzte Frauen 1882 in Berlin den „Deutschen Nationalverein der Freundinnen junger Mädchen“. Bald darauf wurden auf Betreiben des Vereins auch die Bahnhofsmissionen als erste Anlaufstellen für in Not geratene Frauen ins Leben gerufen.
1970 wurde der Verein umbenannt in „Verein für Internationale Jugendarbeit e. V. Arbeitsgemeinschaft Christlicher Frauen – Bundesverein e. V.“, kurz vij. Nach und nach wurden auch Beratungsstellen beispielsweise in Warschau, Kiew, Prag, Bukarest, Minsk und Odessa aufgebaut. Die Mitglieder des Bundesvereins nehmen sich der Vermittlung von Arbeitsstellen und Wohnraum sowie der Beratung von Migrantinnen an. Darüber hinaus entwickeln sie u. a. Bildungsprojekte für weniger privilegierte Jugendliche, bieten Sprachkurse an und stehen osteuropäischen Frauen in der 24-Stunden-Pflege zur Seite.
Vermittlung von Au-pairs
1956 erhielten der vij und der Verein IN VIA die Erlaubnis für die nicht-kommerzielle Au-pair-Vermittlung ins Ausland; seit 1962 werden auch ausländische Jugendliche in deutsche Gastfamilien vermittelt. IJAB-Direktorin Marie-Luise Dreber führte in ihrer Rede aus, dass Au-pairs selbstbestimmt und vom Interesse an fremden Kulturen und Sprachen geleitet sind. Das ist der – traurige – Unterschied zu Geflüchteten, die nicht freiwillig nach internationalen Erfahrungen suchen. Dreber betonte, dass Vernetzung, gegenseitiges Verständnis und Erfahrungsaustausch in einer globalisierten Welt immer wichtiger geworden seien. Sie fragt sich, „ob wir den Au-pairs aus der Ukraine hätten besser zuhören müssen. Dann wären wir am 24. Februar nicht so überrascht worden“.
Neue Herausforderungen durch Geflüchtete aus der Ukraine
Die besondere Situation der geflüchteten Ukrainerinnen in Folge des russischen Angriffskrieges verdeutlicht, wie wenig die Arbeit des vij an Aktualität und Berechtigung verloren hat. Es gilt, die in Not geratenen Frauen und ihre Kinder vor sexueller und wirtschaftlicher Ausbeutung zu schützen. Sie erhalten durch die Landes- und Ortsvereine spezielle Angebote wie Sicherheitstipps, Beratung, Betreuung und Integrationshilfen. Dass die Mittel, die der vij für seine Hilfestellungen erhält, bei weitem nicht reichen, soll aber nicht unerwähnt bleiben.
Krise des Ehrenamtes
Jeanne Pestalozzi, ehemalige Präsidentin von COMPAGNA, wie die Freundinnen Junger Mädchen (AJF) in der Schweiz heute heißen, berichtete im Rahmen des vij-Festaktes, dass die Vorstände in der Schweiz nicht mehr besetzt werden könnten. Ähnlich wie hierzulande rühre die Krise des Ehrenamtes auch daher, dass die Frauen von heute keine Zeit mehr hätten, sich sozial zu engagieren. Anders als ihre Mütter und Großmütter seien sie nämlich selbst berufstätig. Eine ältere Dame, die viele Jahre aktiv im vij mitgewirkt hat, erzählte, dass es ihr als Pfarrersgattin bis in die 1970er Jahre sogar noch verboten war, eigenes Geld zu verdienen.
Dank der Frauenemanzipation sind derartige Einschränkungen glücklicherweise lange überwunden. Dass das Versprechen des vij ‘Das Leben ist eine Reise. Wir begleiten dich‘ ohne Ehrenamtliche möglicherweise eines Tages nicht mehr eingehalten werden kann, ist die traurige Kehrseite der Medaille. Dann ist die Politik gefragt, den Verein zu unterstützen und die Mitwirkenden für ihre wertvolle Arbeit angemessen zu entlohnen.
https://vij.de/ueber-uns/140jahre.html