Marys verlorenes Jahr

Kaum mehr Visa für kenianische Au-pairs

Mary, eine junge Frau aus Kenia, die als Au-pair nach Deutschland einreisen wollte, hat sich ein Jahr lang auf diesen Aufenthalt vorbereitet, um dann acht Monate vergebens auf ein Visum zu hoffen.

Mary, inzwischen 22 Jahre alt, aus Nairobi hatte sich im Jahr 2009 entschlossen, ein Jahr als Au-pair in Deutschland zu verbringen. Bei einer Sprachschule in Nairobi lernte sie einige Monate Deutsch und nahm außerdem an einem Vorbereitungskurs teil, um sich mit den Gegebenheiten in einer anderen Kultur bereits vertraut zu machen. Mary legte beim Goethe-Institut in Nairobi die Prüfung für das „A1-Zertifikat“ in Deutsch,Voraussetzung für einen Au-pair-Aufenthalt in Deutschland, erfolgreich ab.

Seit Anfang 2011 werden Termine zur Beantragung von Au-pair-Visa bei der Deutschen Botschaft in Nairobi nur noch über ein elektronisches Buchungssystem vergeben. Da die Termine sehr limitiert sind, führte dies nach Information des Au-pair-Society e.V. (Bundesverband der deutschen Au-pair-Vermittler) dazu, dass bereits im Frühsommer 2011 alle Termine bis zum Jahr 2013 vergeben waren. Die Termine wurden oft prophylaktisch, d.h. ohne dass bereits ein entsprechender Au-pair-Vertrag mit einer deutschen Familie vorlag, gebucht.

Im Herbst 2010 fand Mary mit Hilfe ihrer kenianischen Vermittlungsagentur und deren deutscher Partneragentur eine nette Gastfamilie im Rhein-Main-Gebiet. Es wurden etliche E-Mails ausgetauscht und Telefonate geführt. Am Ende waren beide Parteien sich einig – die Familie würde Mary als Au-pair einladen.

Die Deutsche Botschaft in Nairobi verlangt als einzige Botschaft weltweit seit Anfang 2011 von allen Antragstellern eine Kostenübernahmeerklärung der Gastfamilie für den Rückflug der Au-pairs nach Kenia.

Ende Dezember 2010 erhielt Mary einen „Au-pair-Vertrag“ und beantragte im Januar 2011 bei der Deutschen Botschaft in Nairobi das entsprechende Visum. Im Februar erhielt sie die Information, dass noch immer keine Unterlagen in Deutschland eingegangen seien, woraufhin sie im gleichen Monat noch einmal bei der Botschaft vorstellig wurde. Anschließend wartete Mary viele Wochen lang.

Dem Bundesverband sind etliche Fälle bekannt, in denen die Visaanträge angeblich nie bei den zuständigen, örtlichen Behörden ankamen und nur nach ständigem Nachfragen beim Bundesverwaltungsamt und den lokalen Landratsämtern dann doch „auftauchten“.

Anfang Mai war es dann soweit: Mary erhielt einen Anruf der Deutschen Botschaft! Man teilte ihr mit, sie könne dort vorsprechen, um ihr Visum abzuholen. Es war ein Freitag, Mary verabschiedete sich am darauffolgenden Wochenende von ihren Verwandten und Freunden, packte ihre Koffer, reservierte einen Flug und kaufte Gastgeschenke für die Familie in Deutschland. Dienstag morgens, bei der Botschaft, folgte dann die Ernüchterung: anstatt des Visum erhielt Mary einen Ablehnungsbescheid! Sie konnte es kaum fassen.

Dem Au-pair-Society e.V. liegen viele solcher Ablehnungsbescheide vor. Begründet wird häufig mit §31 Aufenthaltsgesetz – ein Paragraph, der eigentlich den Nachzug von Familienangehörigen/Ehegatten in die BRD regelt. Weiter heißt es auch „Aufgrund fehlen der erforderlicher Sprachkenntnisse ist das begehrte Visum abzulehnen“ (buchstabengetreues Zitat).

Mary sandte ihrer deutschen Gastfamilie eine Kopie des Ablehnungsbescheides. Die Familie fand schnell heraus, dass man hier als Grund für die Ablehnung einen völlig unpassenden/falschen Paragraphen aus dem Aufenthaltsgesetz angeführt hatte und ging daher davon aus, dass es sich um einen Irrtum handeln müsse. Man wandte sich mit der Bitte um Hilfe schließlich bis an das Auswärtige Amt – leider vergebens.

Der Au-pair Society e.V. hatte sich mit der Bitte, eine Lösung für die Probleme bei der Terminvergabe der Deutschen Botschaft zu finden, mehrfach an das Auswärtige Amt gewandt – bis heute liegt allerdings von dort keine Stellungnahme vor. Ebenfalls wurde, aufgrund massiver Beschwerden mehrerer Mitgliedsagenturen des Bundesverbandes, nachgefragt, ob bzw. warum praktisch keine Au-pair-Visa für kenianische Antragsteller mehr erteilt würden. Die Antwort darauf lautete, dass es da keine Probleme gäbe und sehr wohl Visa erteilt würden.

Es blieb noch das Rechtsmittel der Remonstration (Einspruch gegen die Ablehnung und Antrag auf Neubewertung), welches Mary dann Mitte Mai, ebenfalls bei der Deutschen Botschaft in Nairobi einlegte. Wieder vergingen drei Wochen des Wartens. Am 06. Juni 2011 wurde Marys Antrag dann erneut abgelehnt. Die Begründung wurde diesmal zwar geändert, das Resultat war allerdings das Gleiche.

Mary hat etwa anderthalb Jahre gewartet, ihre Gastfamilie wartete mehr als 8 Monate – das Gastgeschenk für das Kind der Gastfamilie hat Mary inzwischen mit der Post geschickt.

Es gibt noch immer viele potentielle Au-pair-Bewerber(innen) aus Kenia, die großes Interesse am deutschen Au-pair-Programm haben. Ebenso gibt es auch viele deutsche Gastfamiliien, die gerne ein Au-pair aus Kenia einladen würden. Allerdings nehmen nach Informationen die dem Au-pair-Society e.V. vorliegen, inzwischen die meisten Mitgliedsagenturen Abstand davon, kenianische Au-pairs zu vermitteln, da seit Beginn des Jahres nur noch in einigen, wenigen Fällen ein Visum erteilt wurde. Die allerwenigsten Antragsteller haben den Mut zu remonstrieren, was meist auch nur dazu führt, dass erneut abgelehnt wird – dann allerdings nach § 31 Aufenthaltsverordnung, bzw. „wegen der unrealistischen Zukunftsplanung“ der Antragsteller/in und „wegen der bestehenden Zweifel an deren Rückkehrwilligkeit“.

 

Au-pair Society e.V.

Judith Liehr | liehr@apsev.de

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