Zur Vorgeschichte
Südeuropäische Jugendliche, die eine Ausbildung im Rahmen des MobiPro-Programms absolvieren, beenden ihren Aufenthalt oft vorzeitig. Sie leiden während ihrer Berufsausbildung in Deutschland häufig unter Heimweh, Verständigungsschwierigkeiten, Kälte, Einsamkeit und anderen Problemen. Mit dem neuen Programmkonzept AJUMI will man diese Ausbildungsabbrüche vermeiden und die Jugendlichen besser unterstützen. Das Programm ist vor dem Hintergrund der hohen Jugendarbeitslosigkeit in Südeuropa und des Fachkräftemangels in Deutschland entstande. MobiPro wurde für den Zeitraum von 2013 bis 2020 aufgelegt.
Integrationsbegleitung
Den jungen Südeuropäern soll die Berufsausbildung in Deutschland neue Perspektiven eröffnen. Doch wie die Erfahrung zeigt, fällt selbst kontaktfreudigen Menschen die soziale Integration schwer. Dies berichtet bei der Veranstaltung eine Krankenschwester aus Sevilla, die in Deutschland zur Altenpflegerin ausgebildet wird. Sie erzählt von ihren Schwierigkeiten mit der deutschen Sprache und Kultur. Doch die AJUMI-Arbeitsgruppe hat analysiert, dass es den ausländischen Auszubildenden nicht nur an Sprachunterricht und Bildung mangelt. Vielmehr brauchen sie darüber hinaus ein hohes Maß an sozialpädagogischer Unterstützung durch Angebote der offenen Jugendarbeit, Beratung, Infoveranstaltungen und Hilfe in schwierigen Situationen.
Au-pair als Best Practice
Gut funktioniert die Integration junger Menschen aus dem Ausland beim Kulturaustauschprogramm Au-pair. Durch Vermittlungsagenturen erhalten Au-pairs eine professionelle Beratung und Begleitung hinsichtlich sprachlicher, interkultureller und sozialer Möglichkeiten. Au-pairs verfügen durch das Leben in einer Gastfamilie meist über gute Deutschkenntnisse und eine Vielzahl informeller Qualifikationen. Das Programm bietet ihnen den notwenigen Schutz, umfassende Orientierung und seriöse Perspektiven. Alle Elemente könnten auch die Ausbildungsbegleitung junger EU-Migrantinnen und Migranten erheblich verbessern.
Eine Empfehlung der Arbeitsgruppe: Die jungen Spanier und Italiener sollen sich zunächst einige Monate als Au-pair in Deutschland eingewöhnen, bevor sie in ihre Berufsausbildung einsteigen. Eine Befragung von Gastfamilien hat ergeben, dass hier auch Synergieeffekte genutzt werden könnten: Drei Viertel der Familien wären bereit, einem Auszubildenden nach Ablauf der Au-pair-Zeit ein Zimmer zur Verfügung zu stellen. Das hilft den Auszubildenden auf dem schwierigen Wohnungsmarkt. Einige Gastfamilien würden es begrüßen, wenn das Ex-Au-pair im Gegenzug hin und wieder mal babysitten könnte.
Willkommenskultur in den Betrieben
In den Betrieben und in der Berufsschule sind die Anforderungen an die Deutschkenntnisse oft hoch. Die Fachbegriffe erwiesen sich bei den jungen Spaniern und Italienern nicht als das Problem, sondern der alltägliche Sprachgebrauch. Ein Beitrag der Betriebe könnte darin bestehen, die Auszubildenden für einen begleitenden Sprachkurs und Schulungen im Bereich der interkulturellen Kompetenz freizustellen. Aber nicht nur Kommunikationsschwierigkeiten müssen bewältigt werden: Die Mitarbeiter der Betriebe könnten auch zur sozialen Integration beitragen, indem sie die Jugendlichen an ihren Freizeitaktivitäten beteiligen oder sie bei Problemen des Alltags unterstützen.
Vorbereitung in den Herkunftsländern
Die Voraussetzungen für eine duale Ausbildung in Deutschland werden in einem ausführlichen Auswahlverfahren in den Herkunftsländern überprüft. Dazu gehören die Abschlüsse der Bewerber und ihre Anerkennungsmöglichkeiten, die vorhandenen Sprachkenntnisse (A2 ist zu empfehlen) sowie die persönliche Reife und Motivation. Nach dem Motto „Know before you go“ lernen die jungen Südeuropäer in Vorbereitungsseminaren, was das Leben in Deutschland kostet und ob sie in den angestrebten Beruf passen. In Spanien und Italien gibt es kein duales System. Sie erfahren, dass die Ausbildung in Deutschland aus einem praktischen Teil in den Betrieben besteht, während in der Schule die Allgemeinbildung vertieft wird. Die ersten, wenig vorbereiteten EU-Migrantinnen und Migranten waren verwundert, dass in der Berufsschule die „normalen“ Fächer wie Mathematik, Englisch und Religion gelehrt werden.
Anforderungen und Ausblick
Die Tagungsteilnehmer waren sich einig, dass die Jugendlichen nicht überfordert werden dürfen. Allerdings müssen sie selbst Motivation und Durchhaltevermögen mitbringen. Wie sie ihre Lebenshaltung während der Ausbildung finanzieren, wurde noch nicht abschließend geklärt. Gedacht wurde an ein von der EU finanziertes Programm Au-pair+, angelehnt an Erasmus+. Eine solche Förderung würde endlich auch Au-pair als Bildungsprogramm stärken.
Vortragende und Teilnehmende der Podiumsdiskussion:
Edith Lauble, Projektleitung von AJUMI
Marion Paar, Generalsekretärin IN VIA Deutschland e.V.
Esther Peylo, vij-Bundesverein
Paolo Dalvit, Regionalregierung Trient
Cristina Marugán, Spanisches Konsulat Düsseldorf
Martin Claus, Zentrale Auslands- und Fachvermittlung der Bundesagentur für Arbeit
Ingrid Müller, Jugend für Europa
Mechthild Kutscher, SBK-Fachseminar für Altenpflege, Köln
Marie-Luise Dreber, IJAB
Jonas Kimmig, Stiftung Liebenau